Narr, Tölpel oder Clown


"Der Humor ist eins der Elemente des Genies."

(Johann Wolfgang von Goethe)


Viele Menschen mögen Clowns nicht besonders; uns ging es als Kindern übrigens ebenso. Der Clown repräsentiert all das, was ein Mensch in der Gesellschaft nicht darf: Er scheint das Leben nicht ernst zu nehmen, er scheint nicht hart zu arbeiten, nichts gelingt ihm und dauernd macht er alles falsch. Der Clown sieht seltsam aus, mit einem Wort: Clowns sind fremd, faul, frei und ungeschickt. Ihre Fremdheit macht sie verdächtig, ihre Freiheit wird ihnen geneidet, und dass sie faul sind - welcher hart arbeitende, ernste Mensch kann das einfach so hinnehmen? Der Clown scheint sich der Gesellschaft entzogen zu haben, er steht außerhalb und tut, was anderen nicht gestattet ist, vor allem aber: Er ist ungeschickt, er agiert wie ein Tölpel und artikuliert sich wie ein Narr.

Es dauert manchmal, bis wir verstehen, dass der Clown hinter seiner Maske und hinter seinen seltsamen Gebärden weder Narr noch Tölpel ist. Es ist der Clown, der uns unsere Unfreiheit, unsere Eitelkeiten nachweist, der uns den Eulenspiegel vor die Nase hält und uns zeigt, wie seltsam, wie skurril unser Alltag und unsere Wertvorstellungen sind. Alles, woran wir glauben, nimmt der Clown auf die leichte Schulter und wird zum bizarren Atlas unseres verbogenen Weltbildes. In der Missachtung des Clowns bildet sich unsere unbenannte Entfremdung ab, all die kleinen und großen Träume und Sehnsüchte, die wir begraben haben und die sich gerne Bahn brechen würden.

Erst, wenn wir erkennen, dass der Clown den Zuschauer befreit, indem er ihn zum Lachen verführt, fangen wir an, den Clown zu verstehen und zu lieben. Im Lachen, im Scherz gelingt es dem Publikum, ein wenig loszulassen und sich selbst wahrzunehmen. Das ist es, was Clowns für ihr Publikum tun. Und natürlich sind Clowns nicht faul: Es gibt kaum eine härtere Arbeit, und wenn eine Aufführung leicht aussieht, stecken hunderte Stunden des Trainings dahinter. Wenn eine Pointe zielgenau trifft, dann ist sie das Ergebnis tiefer und genauer Analyse und kreativen Nachdenkens. Clowns sind auch nicht fremd, es ist ihre Maske, die sie von uns unterscheidet, ein wenig Schminke und eine Pappnase, mehr nicht. Und ob Clowns wirklich frei sind? Sie zahlen Steuern wie alle anderen auch ...

Clowns sind keine Narren oder Tölpel. Sie sind Akrobaten und Philosophen, auf ihre eigentümliche, bunte, grelle und trotzdem eigentlich zurückhaltende Art.

Narren sind dumm, Tölpel ungeschickt - der Clown kann und darf beides nicht sein. Wenn der Clown stolpert, dann tut er es mit Bedacht und mit genau der richtigen Geste. Wenn er fällt, dann gibt es keinen Zweifel daran, dass er sofort wieder steht, und zwar mit beiden riesigen Füßen mitten im Leben. Der Clown trägt seine Maske deutlich und unmissverständlich in grellen Farben, während alle anderen ihre eigenen kleinen Masken im täglichen Leben verstecken und oft gar nicht mehr selbst spüren. Er nimmt die Widrigkeiten und Unwägbarkeiten des Moments an und lebt sie aus - sein Scheitern ist ein Trost für alle Missgeschicke dieser Welt.




die clownschule